Eine Serie von mysteriösen Todesfällen beschäftigt die italienische Polizei. In einem süditalienischen Badeort verschwinden oder sterben fast ein Dutzend Kurgäste. Sie alle sind Ausländer: »Kein Opfer hat fließend italienisch gesprochen.« Es sind ausnahmslos Männer mittleren Alters. Dachte man zunächst noch an Unglücksfälle oder Selbstmorde, zumal zwischen den einzelnen Ereignissen relativ große Zeitspannen, von einzelnen Monaten bis zu Jahren, lagen, so verdichtet sich - nach Einschaltung der Interpol - doch der Verdacht, einem größeren organisierten Verbrechen auf der Spur zu sein. Den Verdacht auf Selbstmord muss man nach genauem Aktenstudium und Befragen der Angehörigen in den meisten Fällen ausklammern, handelt es sich doch um psychisch stabile Charaktere, die nie zu der Vermutung Anlass gaben, sie würden ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Und was soll man davon halten, wenn ein ehemaliger Champion im Crawl im seichten Strandgewässer ertrinkt? Kann es ein Unfall sein?

Günter Ebert
Stanislaw Lem und DER SCHNUPFEN
 
Der Titel führt in die Irre — wie auch der Schutzumschlag, der eine fotografierte Hand zeigt, die aus einem realen Rasenstück wächst. „Der Schnupfen", Stanislaw Lems neuestes Kunststückchen, befällt weder die Menschheit der Zukunft noch sonst ein utopisches Individuum — in besagtem Buch geht es um banale Zufälle, die freilich einem Dutzend Männer im sogenannten besten Alter das Leben kosten. Die Geschichte spielt in der Gegenwart, in Neapel, Rom und Paris, und ich würde säe gern ein Lehrbuch der Logik nennen.
Was natürlich bei einem Autor wie Lem, der mit seinen phantastischen Mystifikationen die halbe Welt zu faszinieren wußte, überhaupt nichts mit Trockenheit und langweiliger Belehrung zu tun hat. Dieser Mann ist nicht schlechthin Verfasser wissenschaftlich-phantastischer Romane, er ist als Erzähler ein Zauberer, der seine klugen Überlegungen mit fesselnder Anschauung auszustatten weiß.

[„Die Untersuchung“] befriedigt mich nicht voll, obwohl recht anständig geschrieben und spannend. Das Ende bricht einfach mit dieser literarischen Gattung und wirkt zu herablassend; hier wird eine relativierende Philosophie aufgepfropft, die demonstriert, daß es so, aber auch anders sein könnte. »Der Schnupfen« ist besser, weil glaubhaft. Ich bin selber bereit, ihm Glauben zu schenken. Sogar in den Kategorien des Naturalismus und der naiven Glaubwürdigkeit ist das besser gelungen. Und daß ich an dieser Idee hänge, kommt einfach daher, daß ich schon immer eine manische Beziehung dazu hatte, was Unvorhergesehenes, was Koinzidenz, blinder Zufall oder Schicksal bewirken können.

Wir glitten über der großen Halle entlang. Zu beiden Seiten der Brücke glänzten im Lampenlicht Romulus, Remus und die Wölfin, und der Plastikumschlag des Japaners jaulte bereits durchdringend. Eine Bewegung ging durch die zusammengedrängten Menschen, obwohl niemand etwas sagte. Allein der Japaner zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Eine ganze Zeitlang stand er mit steinernem Gesicht in dem anschwellenden Geheul, doch der Schweiß trat ihm in Tropfen auf die Stirn. Er riß den Plastikumschlag aus der Tasche und begann, wild mit ihm zu kämpfen. Er riß daran wie ein Berserker, von allen Blicken verfolgt, niemand sagte ein Wort, nicht eine Frau schrie.