Zwar gehört dieser neuerliche Erlebnisbericht des Kosmosreisenden Ijon Tichy, der 1970 niedergeschrieben wurde, in den Zyklus der »Sterntagebücher«, doch muss sich der Professor diesmal mit einem Abstecher in die nähere Zukunft begnügen: Professor Tarantoga beordert seinen Freund Tichy, der sich irdischen Dingen gern entzieht, sozusagen zu pädagogischen Zwecken zum VIII. Weltkongress der Futurologen, der in den achtziger Jahren in Nounas, der Hauptstadt von Costaricana, einberufen wird und urbanistische, ökologische, atmosphärische, energetische, technologische und politische Konfliktsituationen zum Thema hat. Was sich während dieses Kongresses im Hilton-Hotel und in Costaricana abspielt, wie Ijon Tichy im Fäkalienbunker des Hotels landet und sich nach grauenhaften Alpträumen im Jahr 2039 in einer durch „Halluzinogene“ benebelten neuen »Psyvilisation« wieder findet, wie er schließlich ins Jahr 2098 gerät, aus dem er sich nur noch durch Selbstmörderischen Sturz aus dem Fenster retten zu können glaubt, das bildet den Inhalt dieser spannungsgeladenen Geschichte aus den »Erinnerungen Ijon Tichys«

Das Sonnenlicht aus Leitungen gepumpt

Günther Schlichting, Welt am Sonntag, 8.12. 1974

Was geschieht, wenn in den (vermutlich noch braven) achtziger Jahren unseres Jahrhunderts ein Mensch eingefroren wird und als "Tauling" im Jahre 2039 wieder aufwacht? Zunächst nicht mehr. Er kommt aus dem Revitarium per Packschrauber nach New York, das sich von der autoverstopften Müllhalde in eine mehrstellige mehrstöckige verwandelt hat.  Sonnenlicht wird durch Leitungen gepumpt, die Soladukte heissen.  Die Wohnung nennt sich Wohn. Und natuerlich bekommt er eine Pflegerin, Aileen geheissen, ein Ausbund an Weiblichkeit. 

Für alle gilt: Man kann auch Filialhaende anschnallen, so dass die Menschen zu künstlichen Vierhendern geworden sind. Viel allerdings können die Dritt- und Vierhände nicht tun: etwas halten, die Tuer oeffnen und zwischen den Schulterblaettern krazten, wenn's juckt. (...) Lem hat in diese Geschichte traumhaft viele Ideen hineingepackt. Schon zehn Prozent davon reichen einem durchschnittlichen Science-Fiction-Autor für zwei Bücher. (...)

Der polnische Regisseur Andrzej Wajda spielte einige Zeit mit der Gedanken, „Der futurologische Kongress“ (polnisch: Kongres futurologiczny) zu verfilmen. Diese Idee faszinierte ihn in dieser Zeit – er hat sich ein großes Hotel, in dem die Aktion stattfindet, vorgestellt...und so eines gefunden. Das Ganze wurde dann, wegen Geldmangel, aufs Eis gelegt. Es könnte interessant sein, zuzusehen wie in unsere wunderbare Welt, eine zweite, albtraumähnliche, durchzusickern beginnt. Ich behaupte, nach wie vor, dass es sehr interessant sein könnte, dafür müsste ich aber einen „Kubrick“ finden, damit eine geistige Verwandtschaft zwischen den Drehbuchautor und dem Regisseur existiert.

(...) Außer dem unseren fanden in Costaricana noch ein Kongreß der Gruppe »Die Tiger« von der Jugendgegenbewegung, eine Yerlegerkonferenz für Befreite Literatur sowie eine Tagung des Phillumenisten-Verbandes statt. Für gewöhnlich weist man solchen Gruppen Zimmer in derselben Etage zu, doch die Direktion wollte mir eine Ehre antun und hatte mir das Appartement im hundertsten Stock gegeben, das einen eigenen Palmenhain besaß, wo Bach-Konzerte stattfanden. Es spielte eine Damenband, die gleichzeitig eine kollektive Striptease-Show bot. Nach alledem stand mir gar nicht sonderlich der Sinn, aber leider gab es kein freies Zimmer mehr, ich mußte also bleiben, wo ich war.
Kaum saß ich auf dem Barhocker in meinem Stockwerk, da hielt mir mein vierschrötiger Nachbar (von dessen kohlrabenschwarzem Bart ich sämtliche Mahlzeiten der vergangenen Woche ablesen konnte wie von einer Speisekarte) eine schwere, beschlagene Doppelflinte vor die Nase, die ihm über die Schulter baumelte, und fragte mich unter röhrendem Gelächter, wie ich seine »Päpstin« fände.