„"Die Zeit urbar machen" - dieser Aphorismus Lichtenbergs könnte das Motto sein für die Kindcheits-erinnerungen von Stanislaw Lem, einem de profiliertesten polnischen Autoren nicht nur der Science Fiction-Literatur, der hier das Lwow der zwanziger und dreißiger Jahre rekonstruiert, allerdings nur scheinber mit den Augen eines Kindes gesehen. Die Suche nach der verlorenen Zeit mündet in eine ununterbrochene Gegenwärtigkeit. "So war die Zeit denn ein Abgrund, unbeweglich in sich selbst, gleichsam machtlos, untätig. In ihr geschah sehr viel, viel wie in einem Meer, doch sie selbst schien stillzustehen.«

Eine Rückkehr zu sich selbst, zur eingenen Kindheit und Jugent, ist der autobiographische Bericht "Das hohe Schloss".  Hier verzichtet der Autor auf die stilistischen Spannungselemente des Abenteuerbuchs, auch auf phantastische Abschweifungen, vielmehr rekapituliert er den engen Raum seiner privaten Vernunft; das Familienleben in Lwow, die pädagogischen Praktiken der Dreissiger Jahre, allenfalls der Film "King Kong" weist aus der Erinnerung in die spätere Zukunft. In diesem Buch, das 1968 in Polen erschien, gesteht Stanislaw Lem seine private Existenz mit der Korrektheit des Realisten ein und erlaubt sich einen reizvollen Urlaub von den phantastischen Weiten des Weltalls. 

Uwe Schultz, Deutsche Zeitung 28.02.1975 

Als ich das »Hohe Schloß« schrieb, wohl die dafür geeignetste war, denn heute kann ich viele Einzelheiten nicht mehr rekonstruieren, sie nicht aus dem Gedächtnis hervorholen. Vor allem muß ich hier feststellen, daß dies gar kein Roman ist, obwohl das die Kritik immer wieder behauptet. Es gibt dort kein einziges fiktives Element - und wenn man von einer Lüge sprechen kann, dann wohl nur in dem Sinne, in dem wir Kunst überhaupt als schöne Lüge verstehen können. Zum Beispiel diese ganze Geschichte vom »Legitimationsstaat«, die den Kritikern ganz besonders erfunden vorkam, ist von Anfang bis Ende authentisch, vielleicht mit dem einen Vorbehalt, daß die metaphysische Kulisse erst vom reifen Lem hinzugebaut wurde.

Norbert Wiener begann seine Biographie mit den Worten „I was a child prodigy“ - ich war ein Wunderkind; ich konnte nur behaupten I was a monster - ich war ein Ungeheuer. Nun gut, Ungeheuer ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber daß ich meine Umgebung terrorisiert habe, vor allem als ganz kleiner Junge, das stimmt. Ich war bereit, zu essen, wenn mein Vater auf dem Tisch stand und abwechselnd den Schirm auf- und zumachte, oder ich ließ mich nur unter dem Tisch füttern; ich kann mich natürlich nicht darauf besinnen, das waren die Anfänge, die außerhalb der Grenze der Erinnerungen liegen. Wenn ich ein Wunderkind war, dann nur in den Augen der höflichen Tanten. Empfindlich war ich dagegen ganz bestimmt.