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Der getreue Roboter

Ein Zimmer um das Jahr 2100, ohne sensationelles Interieur. Stromlinienförmige Möbel, Arbeitszimmer eines Kriminalschriftstellers. Lampen, eine Schreibmaschine, Tonbandgerät, Radio, eine gut gefüllte Bar. Clempner sitzt an der Schreibmaschine und tippt mit sichtlicher geistiger Anstrengung. Das Telefon läutet. Clempner hebt ab.

Clempner  Clempner. Ach, Sie sind's. Ja, so in einer Woche, ganz bestimmt. Ich komme gut voran. Am Donnerstag liefere ich alles ab. Ohne einen Tippfehler. Wie? Ach, Ihre Frau hat es Ihnen ausgerichtet. Ja, ich wollte Sie beide für nächsten Freitag einladen. Die Donnels kommen auch. Aber natürlich kennen Sie ihn, Sie sind ihm doch mal bei mir begegnet. Wissen Sie, dieser Inspektor . . . lacht. Versteht sich . . . Solche Bekanntschaften sind ganz nützlich, wenn's ums Lokalkolorit geht. Gut, also nächsten Freitag. Auf Wiederhören. Geht zur Schreibmaschine zurück. Kaum hat er sich gesetzt, klingelt es an der Tür. Wer zum Teufel ist das nun wieder? Gellt hinaus. Kommt zurück. Zwei Spediteure schleppen eine große Kiste herein.

Spediteur   Sie müssen hier quittieren.
Clempner  Was ist das?
Spediteur   Eine Empfangsbestätigung.
Clempner   Ich meine: Was ist in der Kiste?

Spediteur   Da steht's: ein Roboter.
Clempner  Was für ein Roboter? Ich habe keinen bestellt.
Spediteur  Das ist nicht meine Sache, Chef. Ich bin nur von der Speditionsfirma. Bitte unterschreiben Sie.
Clempner unterschreibt, die Spediteure gelten. Clempner mustert die Kiste, dreht sich nach der Schreibmaschine um, geht hin, macht plötzlich kehrt und schneidet die Schnüre der Verpackung durch. Die Kiste öffnet sich. Clempner weicht zurück. In der Kiste hockt ein Roboter. Er kriecht heraus, streift das Packpapier ab, richtet sich auf, macht eine leichte Verbeugung.

Roboter  Guten Abend. Sie werden mein neuer Herr sein. Ich freue mich sehr. Ich werde mich bemühen, Sie nach besten Kräften zufrieden zu stellen, und meine Fähigkeiten sind nicht gering. Ich bin das neueste Ultra-Deluxe-Modell.

Clempner Was soll das? Ich habe keinen Roboter bestellt.

Roboter  Das hat nichts zu bedeuten. Weshalb sollten sie sich selbst bemühen? Wozu bin ich da? Von nun an werde ich alles für Sie erledigen. Ich bin untadelig. Ich sage das nicht, um zu prahlen. Wir Roboter sind bescheiden. Ich stelle lediglich eine Tatsache fest. Wenn ich mir eine Bemerkung gestatten darf, Ihr Schreibtisch steht ungünstig. Beim Schreiben sitzen Sie sich im Licht. So ist's besser. .. Er verrückt den Schreibtisch. Auf diese Weise werden Sie sich besser konzentrieren können.

Clempner  Aber ich brauche dich nicht, verflucht noch mal! Roboter  Das scheint am Anfang immer so. Sie werden sich selbst davon überzeugen. Schlafen Sie gut?
Clempner  Nein. Wer hat dich eigentlich hergeschickt? Roboter  Sie leiden an Schlaflosigkeit? Vortrefflich.
Clempner Wieso vortrefflich?

Roboter  Weil sich das von heute an ändern wird. Er wirft einen Blick aus dem Fenster. Oho, hier gibt es noch andere Villen in der Nachbarschaft? Also bellen abends die Hunde, wenn jemand vorübergeht, in der Nacht maunzen die Katzen, und morgens krähen die Hähne. Sehr gut. Ich kenne ein Spezialmittel gegen Hunde und Katzen, und auch die Hähne werden Sie von nun an nicht mehr stören. Sie werden schlafen wie ein Toter, Sie werden sehen.
Clempner  Um mich mach dir keine Sorgen. Wer hat dich hergeschickt? Roboter  Sie brauchen nicht laut zu sprechen. Flüstern genügt, ich höre ausgezeichnet. Ich weiß nicht, wer mich hierher geschickt hat, aber das lässt sich leicht feststellen.
 
Der Name des Absenders muss auf der Verpackung stehen. Hier: Davenport, Agentur zur Vermittlung und Vermietung von Hauspersonal. Er hebt den Hörer ab, wählt. Hallo! Agentur Davenport? Hier spricht der Diener. Mr. Mensch, mein Herr möchte mit Ihnen sprechen. Bitte sehr. .. Er reicht Clempner den Hörer.
Clempner Hören Sie, ich habe da eben eine Sendung erhalten, einen Roboter, den ich überhaupt nicht bestellt habe. Gewiss irgendeine dumme Verwechslung. Wie? Tom Clempner, 46 Violet Street. Lassen Sie ihn gleich wieder abholen. Wie? Was sagen Sie? Sie haben ihn nicht geschickt? Sind Sie ganz sicher? Aber .. . Er legt den Hörer auf. Er sagt, sie hätten niemanden geschickt. . . Was soll nun werden? Roboter Nun wird alles ganz, wie Sie wünschen. Sie wünschen, allein zu sein? Sie wünschen, dass niemand Sie bei Ihrer schöpferischen Arbeit stört?
Clempner  Ja, zum Teufel, ja!

Roboter Sehr gut. Sie werden allein sein. Sie sind allein. Eigentlich gibt es mich gar nicht. Außer Ihnen ist hier kein Mensch, also ist niemand da. Wir wollen noch einige Kleinigkeiten besprechen. Haben Sie einen Roboter?
Clempner Nein, ich brauche keinen. Roboter Vortrefflich. Ich muss Ihnen bekennen, ich kann Roboter auch nicht ausstehen. Ich mag nur Menschen. Deshalb freue ich mich so, dass Sie mein Herr sein werden. Sie werden es gut bei mir haben. Ich empfinde für Sie bereits Achtung und Respekt. Speisen Sie zu Hause?
Clempner Nein! Hör endlich auf, so viel zu reden! Man kann ja keinen Gedanken fassen. Ich muss überlegen, was ich mit dir anfange.


Roboter Dafür bin ich jetzt da - für alles, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten. Von heute an werden Sie zu Hause speisen. Das Gaststättenessen ist gesundheitsschädlich. Man verdirbt sich den Magen. Ich kenne die verschiedensten Küchen, vor allem die chinesische. Er geht an die Bar, überprüft ihren Inhalt. Martini?
 
Ausgezeichnet. Darf ich mir die Bemerkung gestatten, dass sich auch Gin sehr gut machen würde, mit Eiswürfeln und einer Zitronenscheibe serviert. Das schärft den Verstand. Ich werde Gin besorgen.
Clempner Wann hörst du endlich auf? Mir platzt der Schädel!

 Roboter So ist es anfangs immer. Leider. Aber das geht vorbei. Sie gestatten? Er entnimmt der Kiste, in der er angekommen ist, eine Schachtel mit einem roten Kreuz, gießt Wasser in ein Glas, reicht Clempner das Glas und eine Tablette, die er aus der Schachtel genommen hat.
Clempner Was ist das? Roboter Eine Kopfschmerztablette. Es wird gleich besser, lassen Sie mich nur machen. Gestatten Sie . . . Bitte ... Er platziert ihn in einen Sessel, legt ihm ein Kissen unter den Kopf, ein zweites unter die Füße, reicht ihm die Tablette und das Glas. Dann fängt er an aufzuräumen. Er trägt die Kiste hinaus, fegt die Holzspäne auf ein Kehrblech, kommt zurück. Wie fühlen Sie sich? Besser? Es schmerzt nicht mehr so, nicht wahr? Er hat ein Ölfläschchen, eine Rolle Bindfaden und einen Schraubenzieher in der Hand. Das ist alles, was ich besitze. Ich repariere mich im Notfall selbst, müssen Sie wissen. Soll ich Ihnen zeigen, wie ich innen konstruiert bin? Eine außerordentlich interessante Technik.
Clempner   Ich will meine Ruhe . . .

Roboter  Eben das ist meine Aufgabe. Für Ihre Ruhe zu sorgen. Wir müssen nur zuvor den Verhaltenscode programmieren. Es wird nicht lange dauern.
Clempner Was für einen Code? Roboter Sie haben gewiss Nachbarn, Bekannte, Verwandte . . . Es werden diverse Leute kommen und Sie sprechen wollen. Deshalb müssen wir einfache Formeln zu unserer Verständigung verabreden. Begrüßen Sie einen Gast mit den Worten: ?Ich freue mich, dich zu sehen", dann trete ich kurz darauf ein und erinnere Sie daran, dass Sie eine unaufschiebbare Besprechung mit Professor Chadwick haben.
 
Clempner Und wenn der Gast diesen Professor Chadwick zufällig kennt?
 Roboter Das ist unmöglich. Er war mein erster Herr. Er ist leider verstorben. Vor langer Zeit. Die Buchstaben auf seinem Grabstein werden schon unleserlich. Ich gehe jeden dritten Sonntag im Monat auf den Friedhof. Ich hoffe, dass Sie es mir erlauben werden. Aber zur Sache: Wenn Sie zu einem Gast sagen: »Schön, dich zu sehen, ich habe oft an dich gedacht«, dann serviere ich Getränke von der billigsten Sorte. Wenn Sie...
Clempner Was erzählst du mir da?
Roboter Bitte keine falsche Scham. Wir wissen beide, wie das ist, nur geben es die Herrschaften nicht gern zu. In jedem Haushalt gibt es Getränke für Gäste erster Klasse und Getränke für Gäste zweiter Klasse, und außerdem gibt es noch Getränke, die man überhaupt niemandem anbietet. Dort zum Beispiel - er zeigt auf die Bar - ist eine flache Flasche versteckt. Wenn ich nicht irre, ist das ein siebzigjähriger Cognac, vermutlich Salignac. Sie haben ihn sehr gut versteckt, so gehört es sich auch. Wie ich sehe, sind Sie ein wenig müde. Ich werde Ihnen daher jetzt eine kräftige Brühe und ein leichtes, aber nahrhaftes Dinner bereiten. Bitte, entspannen Sie sich. Entspannen . . . Die Muskeln ganz locker. .. Entspannen . . . Während er das sagt, geht er zur Tür. Man hört ihn mit Geschirr hantieren.
Clempner  Das ist doch ein tolles Stück! Roboter  kommt zurück Binnen kurzem ist alles fertig. Nun bliebe noch ein Punkt zu klären, der wichtigste: die Frauen.
Clempner Was ?!
Roboter Bitte, beunruhigen Sie sich nicht. Ich besitze drei zusätzliche Schaltkreise, die speziell zu diesem Zweck eingebaut wurden. (...)